Neue Versicherungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Kulturen in Oberösterreich

Finanzmittel des Katastrophenfonds werden von ad hoc Entschädigung zu Vorsorge umgeschichtet – Bäuerinnen und Bauern sind künftig durch Ausweitung der staatlichen Förderung keine Bittsteller mehr

Neue gesetzliche Regelung für Katastrophenfonds und Hagelversicherung

Die Agrarpolitik hat einen wichtigen und richtigen Schritt für die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels gesetzt: Die staatliche Förderung von Versicherungsprämien wurde zur Jahresmitte 2016 gesetzlich auf weitere Risiken ausgedehnt. Neben Hagel und Frost werden nun auch Versicherungen gegen die Folgen von Dürre, Sturm und starken oder anhaltenden Regenfällen mit je 25 % der Prämie von Bund und Ländern bezuschusst – und das für alle landwirtschaftlichen Kulturen. Zugleich entfallen künftig Entschädigungen des Katastrophenfonds für versicherbare Risiken. Damit erhalten Landwirtinnen und Landwirte einerseits eine preiswerte Möglichkeit der Eigenvorsorge, die andererseits langfristig Staat und Steuerzahler entlastet.

Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger dazu: „Die Wetterextreme haben in Oberösterreich zu großen Schadensereignissen geführt. Dies zeigt uns, dass Absicherungsmodelle und Risikovorsorge in Zeiten von Klimawandel und Wetterextremen enorm an Bedeutung gewinnen. Mit der Ausweitung der Möglichkeiten der Hagelversicherung wurde ein Meilenstein gesetzt, der den nicht kalkulierbaren Naturereignissen Absicherungsmöglichkeiten entgegenstellt.“

In Oberösterreich wurde das Agrarbudget 2017 demnach im Bereich der Versicherungsmöglichkeiten aufgestockt. Somit beträgt diese Aufwendung aufgrund des deutlichen Ausbaus der Versicherungsmöglichkeiten im Jahr 2017 6,01 Mio. Euro anstelle der bisher aufgewendeten 5,6 Mio. Euro. Die Prämie wird dabei zu 50 % von der öffentlichen Hand gestützt – je 25 % entfallen dabei auf den Bund und die Länder. „Damit ist es gelungen, zukünftig bei Katastrophenereignissen im Bereich landwirtschaftlicher Kulturen nicht mehr auf den Katastrophenfonds des Landes zugreifen zu müssen. Im Jahr 2016 wurde knapp eine Million Euro aus dem Katastrophenfonds beglichen. Dies wird zukünftig über die Hagelversicherung abgedeckt“, so Landesrat Hiegelsberger.

Trend zur umfassenden Absicherung

Die neue Regelung geht auf eine Initiative der agrarpolitischen Verantwortungsträger und der Bundesregierung zurück. Warum diese strategische Weichenstellung in der Risikovorsorge erforderlich wurde, begründet Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Produktionsbedingungen der Bauern durch den Klimawandel stets schwieriger werden. Die Landwirtinnen und Landwirte sind eine Berufsgruppe, die daher gar nicht genug geschützt und abgesichert werden kann, denn sie produzieren unsere tägliche Nahrung – und das unter immer härteren Witterungsverhältnissen. Ihre Leistungen sind unverzichtbar und alternativlos.“ Das erfordert allerdings Vorsorge und Vorkehrungen. Weinberger dazu: „Um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, sind jene Versicherungssysteme unerlässlich, die auf Private-Public-Partnership aufbauen. Das Zusammenwirken von Landwirtschaft, Versicherungswirtschaft und öffentlicher Hand wird aufgrund der Risikovielfalt immer wichtiger. Internationale Modelle zeigen den Weg zu einem umfassenden Risikomanagement: So bezahlt der Landwirt in China nur 20 % der Ernteversicherungsprämie und der Staat übernimmt 80 %. In Amerika bezahlt der Landwirt 35 % der Prämie und der Staat übernimmt den Rest von 65 %.“

Vorteile eines geförderten Agrarversicherungssystems

  • Risikomanagement immer wichtiger
    Die Landwirtinnen und Landwirte sind infolge des Klimawandels und der damit verbundenen Zunahme von Wetterextremen steigenden Risiken ausgesetzt.
  • Naturkatastrophen nehmen durch Klimawandel zu
    Um die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe angesichts der Naturkatastrophen zu erhalten, ist die Förderung ein wesentlicher Bestandteil, damit die Landwirte eine kostendeckende Erlösstruktur und ein kalkulierbares Einkommen erzielen können.
  • Kalkulierbares Staatsbudget durch Prämienförderung
    Die Prämienförderung bzw. die gesetzlich festgeschriebene Maßnahme, dass bei Schäden aus versicherbaren Risiken keine ergänzenden finanziellen Mittel ausgeschüttet werden, kommt dem Staat langfristig günstiger. Landwirte beteiligen sich durch Eigenvorsorge an der Prämienzahlung.
  • Rechtsanspruch auf Entschädigung
    Bei einer Versicherung besteht für die versicherte Landwirtin bzw. den versicherten Landwirt ein Rechtsanspruch auf Entschädigung.
  • Höheres Risiko bei kleinstrukturierter Landwirtschaft
    Im Vergleich zu anderen EU-Staaten hat Österreich eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Die heimischen Landwirte sind von Wetterextremen stärker betroffen als jene, die große Flächen bewirtschaften, denn dort wird das Risiko stärker diversifiziert.
  • Verschiedene Risiken ohne staatliche Unterstützung nicht finanzierbar
    Eine staatliche Unterstützung bietet die Möglichkeit, Risiken abzusichern, die auf rein privatwirtschaftlicher Ebene nicht leistbar sind (Bsp. Überschwemmung).
  • Sicherung der heimischen Lebensmittelversorgung
    Die Förderung trägt dazu bei, die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln und damit generell die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion und die Landschaftspflege sicherzustellen.
  • Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors wird gestärkt
    Die Spezialisierung landwirtschaftlicher Betriebe schreitet voran. Gleiches gilt auch für die Liberalisierung der Agrarmärkte. Die Förderung ist somit ein Beitrag zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe in einem globalisierten Umfeld.

Unwetterextreme nehmen zu

Die letzten Jahre haben sehr drastisch aufgezeigt, wie verwundbar die Landwirtschaft durch sich ändernde klimatische Bedingungen ist. 2013 und 2015 waren ausgeprägte Trockenjahre mit erheblichen Ertragseinbußen vor allem im Futterbau, primär bei Grünland und Mais. Das vergangene Jahr brachte Spätfrostschäden bei Obst und Wein, die regional zu Totalausfällen geführt haben. Die Land- und Forstwirtschaft ist somit jener Wirtschaftssektor, der am massivsten vom Klimawandel getroffen wird. Anpassungsstrategien und eine verstärkte Risikovorsorge sollen helfen, die Auswirkungen abzufedern.

„Seit dem Jahr 2002 wurden insgesamt 15.018 Anträge an den Katastrophenfonds, betreffend Elementarschäden an landwirtschaftlichen Kulturen gestellt. Insgesamt kamen 26.271.877 Euro an Beihilfen zur Auszahlung“, erläutert Agrar-Landesrat Hiegelsberger die Situation in Oberösterreich.

Katastrophenfonds – Elementarschäden an landwirtschaftlichen Kulturen

Jahr Summe Beihilfen
Elementarereignis
Anzahl d. Anträge
2002 4.625.489,00 Hochwasser 4.658
2003 – 2012 6.187.696,00 Hochwasser, Dürre 4.378
2013 13.340.268,00 Hochwasser, Dürre 5.465
2014 – 2016 2.118.424,00 Hochwasser, Frost 517
Summe 26.271.877,00   15.018

Für den Schutz durch eine Versicherung und die Förderung der Prämien liegen stichhaltige Argumente vor, erläutert Weinberger: „Als Spezialversicherer gegen Naturkatastrophen befasst sich die Österreichische Hagelversicherung seit Jahren auf wissenschaftlicher und statistischer Basis mit den stets schwieriger werdenden Produktionsbedingungen für unsere Landwirtinnen und Landwirte. Extreme Wetterereignisse sind mittlerweile keine Jahrhundertereignisse mehr, sondern treten in immer kürzeren Abständen und intensiver auf. Statistik und Prognosen verlangen auch Konsequenzen. Nur umfassende Ernteversicherungen nach dem Prinzip von Public-Private-Partnership werden den Herausforderungen der Zukunft gerecht und bieten in Zeiten von schweren Wetterschäden ein Sicherheitsnetz für agrarische Produzenten. Diese Versicherungen sind ein leistbares, unverzichtbares und kosteneffizientes System. Dieses ist notwendig, wenn Österreich weiterhin eine konkurrenzfähige Landwirtschaft haben will. Der Schutz gibt den Produzenten Hoffnung in schwierigen Zeiten.“

Einkommensausfälle abfedern

Neben Vorsorge- und strategischen Maßnahmen ist es notwendig, die akuten Einkommensausfälle durch wetterbedingte Katastrophen abzufedern. Die bekannteste Maßnahme bzw. das Versicherungsprodukt mit der breitesten Akzeptanz ist die Hagelversicherung. „Die Landwirtschaftskammer ist sehr froh, dass es in Österreich mit der Hagelversicherung ein Unternehmen gibt, das sich inzwischen zu einem Vollanbieter für wetterbedingte Risiken entwickelt hat. In sehr konsequenter Arbeit wurde das Portfolio der Hagelversicherung erweitert und es können nun – auch dank öffentlicher Unterstützung durch Bund und Land – sehr viele klima- und wetterbedingte Einkommensausfälle durch Versicherungen abgefedert werden“, erläutert Präsident Reisecker.

Die Produktneuerungen 2017

  • Neue Dürreindex-Versicherungen für Winterweizen und Zuckerrübe Neben den bestehenden Dürreindex-Versicherungen für Grünland und Mais werden ab 2017 auch Dürreindex-Versicherungen bei den Kulturen Winterweizen und Zuckerrübe angeboten. Bei der Dürreindex-Versicherung wird der 10-jährige Niederschlagsdurchschnitt mit dem Niederschlag im aktuellen Jahr unter Berücksichtigung der Verteilung und von Hitzetagen verglichen. Entschädigungen werden ab bestimmten Abweichungen ausbezahlt.
  • Überschwemmung Ertragsverluste Bislang waren bei Überschwemmungsschäden ausschließlich die Wiederanbaukosten gedeckt. Künftig sind auch Ertragsverluste durch Überschwemmung versichert, die zu einem Totalschaden an der Pflanze führen oder wenn der Qualitätsverlust so groß ist, dass eine Vermarktung nicht möglich ist.
  • Neue Frostversicherungen bei Obst Im Jahr 2016 waren Äpfel, Birnen, Haselnüsse und Erdbeeren gegen Frost versicherbar. Künftig sind auch Frostversicherungen bei Stein- und Beerenobstarten möglich. Das betrifft die Obstarten Kirschen, Weichseln, Pfirsich, Nektarinen, Marillen, Zwetschken sowie Brombeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Heidelbeeren und Aronia.

Klimawandel: Landwirtschaft muss sich anpassen und vorsorgen

„Für die Landwirtschaftskammer sehe ich die Verantwortung darin, dass wir intensiv an einer Strategie zur Anpassung der Landwirtschaft an die Herausforderungen durch den Klimawandel arbeiten müssen. Es ist absehbar, womit wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu rechnen haben. Wenn wir uns darauf vorbereiten, die richtigen Schlüsse ziehen und hoffentlich die richtigen Entscheidungen treffen wird die Anpassung machbar, wenn auch schwierig“, umreißt ÖR Ing. Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer OÖ, die Situation.

Anpassung an den Klimawandel

Zu den Anpassungsstrategien gehören Maßnahmen wie geänderte Sortenwahl und/oder Verwendung von Sorten mit besserer Trockentoleranz. Der Klimawandel wird den Pflanzenbau nicht revolutionieren. Auch in zehn Jahren wird das Kulturarten-Spektrum etwa das gleiche sein. Es wird moderate Verschiebungen hin zu Kulturen mit geringerem spezifischen Wasserverbrauch geben oder zu Sorten innerhalb der gleichen Kulturgattung, die mit Trockenheit besser zu Rande kommen.

Einen gewissen laufenden oder „schleichenden“ Anpassungsprozess gibt es schon seit vielen Jahren. Bei den Maissorten ist ein klarer Trend zu spätreifenden Sorten mit längerer Vegetationszeit zu bemerken. Die klimatischen Änderungen haben außerdem den Anbau von Sojabohne erst möglich gemacht.

Die Landwirtschaftskammer OÖ hat sich intensiv mit Versuchen im Hirseanbau beschäftigt und diese Kultur könnte künftig in Oberösterreich eine größere Bedeutung im Anbau bekommen. Hirse ist sehr gut an trockene Bedingungen angepasst, weil sie pro Kilogramm erzeugter Trockensubstanz weniger Wasser verbraucht.

Veränderungen im Grünland

Im Grünland- und Futterbau wird vermutlich die trockenheitstolerante Luzerne mehr Bedeutung bekommen, auch wenn diese Futterpflanze aufgrund ihrer groben Struktur von den Rindern nicht so gerne gefressen wird wie Heu oder Gras. „Ob in Gegenden, in denen die Niederschläge kontinuierlich abnehmen und die Böden zumeist über geringe Bodenmächtigkeit verfügen, der Trend zur Fünf-Schnitt-Wiese fortgesetzt werden kann, ist zu hinterfragen. Einerseits ist im Grünland mit einer längeren Vegetationsperiode zu rechnen, andererseits ist in manchen Regionen davon auszugehen, dass die Landwirtschaft mit deutlich weniger Niederschlägen auskommen muss“, so Reisecker.

Gezielter Humusaufbau

Eine Langfriststrategie ist auch, die Bodenfruchtbarkeit durch gezielten Humusaufbau zu fördern. Humus ist ein wichtiger Wasserspeicher, der dabei hilft, Trockenphasen in der Landwirtschaft besser zu überdauern. Humusaufbau ist allerdings ein sehr komplexes Thema und schwierig zu bewerkstelligen – wird aber in der Klimawandelanpassung eine entscheidende Rolle spielen. Dass die zu erwartenden höheren Temperaturen und die damit verbundene höhere biologische Aktivität teilweise zum Humusabbau führen, macht die Situation nicht einfacher.

Rückfragehinweis:

  • Mag. Elisabeth Frei-Ollmann, Kontakt Öffentlichkeitsarbeit, [email protected] Tel: 050 6902-1591
  • DI Christian Krumphuber, Kontakt Fachabteilung, [email protected], Tel: 050 6902-1415