Schützen wir unseren Boden – der Boden schützt uns!
Klare gesetzliche Rahmenbedingungen zur Reduktion des Bodenverbrauchs erforderlich
„Wir müssen den rasanten Bodenverbrauch in Österreich stoppen. Dazu müssen wir Bewusstsein und Rahmenbedingungen schaffen, dass der Boden die Basis für unser Leben ist. Eine bodenschonende Raumplanung kann dazu durch die Festlegung von landwirtschaftlichen Vorrangzonen und Siedlungsgrenzen auf Regional- und Landesebene sowie die Revitalisierung gewerblich und industriell vorgenutzter Brachflächen einen entscheidenden Beitrag leisten. Dadurch wird unser einzigartiger Lebensraum nicht weiter sorglos vergeudet und unsere Lebensgrundlage Boden für künftige Generationen geschützt“, appellieren gemeinsam Univ.-Prof. Dr. Roland NORER, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht, Univ.-Prof. Dr. Gottfried HOLZER, Universität für Bodenkultur Wien, und Dr. Mario WINKLER, Pressesprecher der Österreichischen Hagelversicherung im Rahmen der Buchpräsentation zum Bodenschutzrecht in der Österreichischen Hagelversicherung.
Winkler: Leerstand nützen bringt doppelte Dividende
Tag für Tag werden im Durchschnitt der letzten Jahre 20 Hektar (entspricht der Größe von 30 Fußballfeldern) an Agrarflächen dauerhaft der Produktion entzogen. Auf der anderen Seite war in Österreich der Leerstand noch nie so groß wie heute: Mehr als 40.000 Hektar oder umgerechnet die Fläche der Stadt Wien an leerstehenden Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien prägen unser Landschaftsbild. Ein Großteil der Brachflächen befindet sich in gut erschlossenen Lagen. Solche Standorte wären für neue Nutzungen zwar prädestiniert, aber viele Investoren bevorzugen unverbaute Grünflächen. Daraus ergeben sich unerwünschte Begleiterscheinungen, wie hohe Kosten für den Bau und die Erhaltung von Infrastruktur, Zersiedelung und Verlust an Urbanität.
Recycling von brach liegenden Flächen wäre eine wichtige Alternative zum Bauen auf der „grünen Wiese“. Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und ein effektiver, sparsamer und wirtschaftlicher Mitteleinsatz sprechen für die Revitalisierung von Brachflächen.
„Als Hagelversicherung sind wir für eine strukturierte und intelligente Raumentwicklung unter Berücksichtigung von ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Gerade die Wiedernutzung von Brachflächen bietet den Gemeinden die Chance, ihre Attraktivität und Lebensqualität langfristig zu verbessern, sowie Grund und Boden zu schützen! Für Revitalisierungen müssen aber von der öffentlichen Hand Anreizsysteme geschaffen werden. Damit können die höheren Kosten abgedeckt werden. Dies würde helfen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und gleichzeitig positive Effekte für die Wirtschaft bringen. Ein Beispiel für eine optimale Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie“, weist Winkler auf den doppelten Nutzen hin.
Norer: Geltendes Bodenschutzrecht ist wenig wirksam
In den letzten Jahren rückt angesichts zunehmender Probleme sowohl beim qualitativen als auch beim quantitativen Bodenschutz das Bodenschutzrecht vermehrt in den Fokus. Diese Rechtsmaterie, die bisher von der Rechtswissenschaft weitgehend vernachlässigt wurde, präsentiert sich als komplexe Gemengelage zwischen internationalem, europäischem und nationalem Recht auf Bundes- und Landesebene.
„Das geltende Bodenschutzrecht in Österreich erweist sich dabei insgesamt als zu wenig wirksam und schlagkräftig. Die Überlappung verschiedener Normen und die zu beobachtende Rechts- und Kompetenzzersplitterung erschwert legistische Maßnahmen zusehends. Die Grenzen ordnungspolitischer Maßnahmen sind solcherart schnell erreicht, die Effektivität vieler Regelungen muss ernsthaft hinterfragt werden. Moderne und innovative Ansätze, wie etwa kooperative Elemente, fehlen weitgehend. Die Wichtigkeit von Anreizsystemen und Instrumenten der Bewusstseinsbildung scheint noch nicht hinreichend erkannt worden zu seien“, so Norer.
Beim qualitativen Bodenschutzrecht haben die Normen zum Ziel, der Bodenerosion, Schadstoffbelastung sowie Bodenverdichtung vorzubeugen. Die Bandbreite reicht vom Düngemittel-, Kompost- und Pflanzenschutzmittelrecht über das Wasser- und Forstrecht bis hin zum Abfallwirtschafts- und Altlastensanierungsrecht. Im Landesrecht dominieren zumindest nominell die Bodenschutzgesetze und Regelungen betreffend Klärschlamm und Kompost. Von größter Bedeutung sind hingegen die agrarischen Förderungsinstrumente wie Cross Compliance, Greening oder Maßnahmen der ländlichen Entwicklung, insbesondere das flächendeckende Agrarumweltprogramm ÖPUL. Hier gilt es die vorhandenen Instrumente konsequent weiterzuverfolgen.
Holzer: Umfassende Bodenschutzstrategie dringend erforderlich
Beim quantitativen Bodenschutzrecht hingegen zeigt die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte einen besorgniserregenden Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche in einem solchen Ausmaß, dass die Selbstversorgung der österreichischen Bevölkerung im Krisenfall auch nicht annähernd gewährleistet werden könnte. Dies liegt zum einen an Defiziten in den (landes-) gesetzlichen Grundlagen selbst, insbesondere an den Raumordnungszielen und -grundsätzen. Diese räumen einen weiten Raum an Planungsermessen ein, der dazu führt, dass der Schutz landwirtschaftlich nutzbarer Flächen gegenüber anderen Nutzungsinteressen oftmals das Nachsehen hat. Vor allem aber hat sich die Vollziehung, das heißt die Planungspraxis auf der Ebene der überörtlichen und örtlichen Raumplanung bisher nicht als ausreichend wirksames Korrektiv gegen den sorglosen Umgang mit der nicht vermehrbaren Ressource Boden erwiesen.
Dazu Holzer: „Eine umfassende Bodenschutzstrategie erfordert ein Zusammenwirken raumplanerischer Instrumente mit einer Reihe weiterer Maßnahmen. Lösungsansätze zur Sicherung der landwirtschaftlich nutzbaren Bodenreserve reichen von gesetzlichen Nachbesserungen bis zu einem Bündel von Maßnahmen auf überörtlicher und örtlicher Planungsebene. Es gilt, den Spielraum der Gemeinden für künftige Umwidmungen von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen durch bindende Vorgaben der Regional- und Landesplanung zu begrenzen. Eine überörtliche Ausweisung von landwirtschaftlichen Vorrangzonen, die Festlegung von Siedlungsgrenzen, monetäre und steuerliche Anreize zur Nachnutzung leerstehender Immobilien sowie verbindliche Baulandreduktionsziele sollten die Gemeinden zum Abbau der bestehenden großen Baulandreserven veranlassen.“
Auf der Ebene der örtlichen Raumplanung sind weiters Instrumente zur Baulandmobilisierung wie befristete Baulandwidmungen, Vertragsraumordnung, Innenentwicklungspläne und gemeindeübergreifende Kooperationen (zum Beispiel zur Schaffung von Gewerbeflächenpools) verstärkt anzuwenden.
Böden verdienen mehr Respekt
„Bedenken wir: Böden sind in mühsamer Arbeit entstanden. Ihre Güte ist das Ergebnis einer jahrtausendalten Bewirtschaftung durch Generationen von Bauern und Bäuerinnen. Sie sind Kulturgüter ersten Ranges, die man nicht durch Versiegelung oder Verbauung zerstören darf. Sie sind schützenswert und verdienen Respekt! Es ist daher an der Zeit, dass wir Böden wieder als das betrachten, was sie sind: die Grundlage unserer Ernährung“ appellieren Winkler, Holzer und Norer abschließend an die politisch Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.